Nach einer langen Phase der steten Steigerung der Detailtreue und Feinheit der Modelle scheint die Konsolidierung der Branche nach einer Entlassungswelle nun zu einer Mängel-Häufung zu führen, wie wir sie aus der Autoindustrie der späten 70er erinnern.

Insbesondere der neue "Mega-Konzern" Modelleisenbahn-GmbH lässt seine Käufer erstaunt in den Läden stehen, hochpreisige und "preistabilisierte", vorbestellte Ware wird zuhauf nicht abgenommen. Reaktionen des Herstellers bleiben (mit ehrenwerter Ausnahme der TT-P8) aus.

Fehldrucke und Fehllackierungen sind fast schon normal - und dies bei geradezu absurden Preisen für Wiederauflagen aus abgeschriebenen Formen. Eine optische, sachverständige Warenkontrolle scheint nicht mehr zu existieren. Von den Fertigern auf dem Balkan und in China kann man dies nicht erwarten.

Aktuelle Beispiele:

  • Märklin Nahverkehrswendezug #26577 (V36 mit roten "Donnerbüchsen" und Befehlswagen Pwif): Der Befehlswagen wurde recht lieblos durch Umlackierung, Einsatz von Frontfenstern und Löchern/Erhebungen für die Spitzenlichter und Aufdruck einer falschen Längenangabe (der des Bi) aus dem bereits bekannten Pwi 41"ertüchtigt". Auch die Bi haben teilweise merkwürkdige Anschriften. Für den geschobenen Betrieb ist die Beleuchtungsschaltung der V36 nicht vorgesehen. Eine Kupplungsmöglichkeit am Steuerende des Befehlswagens gibt es aber meines Wissens nicht. Dazu bildet der Hersteller die V36 auch noch falsch herum am Zug ab.
  • Fleischmann #507801 Befehlswagen auf Basis "Donnerbüchse" - dieser Wagen scheint verkehrt herum in die Druckhalterung zu fallen - die bisher ausgelieferten Fahrzeuge weisen die "2" auf der Befehlsstand-Seite und das Schild "Dienstraum" auf der Reisendenseite auf. Weiterhin wurde die Inneneinrichtung nicht angepasst und der DB-"Keks" deutlich außermittig aufgedruckt. Als Heimatbahnhof ist (als inzwischen als Running Gag anzusehen) "Wuppertal Hbf" angegeben. Dieser Bahnhof wird erst seit 1992 so bezeichnet. Das helle Chromoxydgrün RAL6020 haben diese Wagen nicht mehr erhalten. Die golden glänzenden Fensterrahmen sind eine völlige und kitschige, aber teure Übertreibung. Eine Kupplungsmöglichkeit am Steuerende gibt es nicht. Dafür soll man dann bitte fast 70 € bezahlen. Seit mehr als 25 Jahren gibt es einen für Anfänger geeigneten Umbausatz von Weinert - er wird dringend als Alternative empfohlen. In der ersten Januar-Woche hat Fleischmann sofort reagiert und zieht die Modelle zur Nachbesserung zurück. Mitte Februar wurde ein Modell mit der Anschrift "82 922 Wt" in seitenrichtiger Bedruckung neu ausgeliefert.
    Als Neuheit 2012 wird der Wagen in Rot mit Zierstreifen angeboten. Ein solches Fahrzeug gab es bei der DB nicht, aber es passt schlüssig zu den roten Wendezug-Donnerbüchsen und ist soweit als Produkt vermutlich gut verkäuflich. Und davon lebt ein Hersteller eben...
  • Roco 38.10-40(P8) in Baugröße TT - die gesamte vorweihnachtliche Neuheitenlieferung 2011 wurde wegen gravierender antriebstechnischer Mängel zurückgenommen und umkonstruiert. Hierzu hat Roco allerdings beispielhaft offen und korrekt Stellung genommen.
  • Fleischmann WG4ü 18 022 Tanzwagen "Der Hamburger" - Fleischmann benutzt als Basis einen 4-türigen C4ü-35, das Vorbild wurde aber aus den damals zahlreichen, leeren ehemaligen Lazarettwagen C4i-36 aufgebaut und hatte 8 Türen.
  • Fleischmann BR4ye 73 203 Mz (Katalog-Nr. 5677 05) - Hier hat man korrekt einen C4i-30 als Basis genommen, in den äusserlichen Zustand eines C4üpwe-30/51 um 1958 versetzt und mit dem DSG-Wappen und dem Schild "Speiseraum" ausgestattet. Als Bezeichnung im Anschriftenfeld wählte man bei Untersuchungsdatum 8/56 die damals nicht mögliche Gattung "B4üpwke" (richtig wäre "B4ywke" oder "BR4ywe") und beließ es bei der Sitzwagen-Inneneinrichtung mit Holzbänken ohne Küche, ohne Tische und ohne Vorratsbunker.
  • Fleischmann Rungenwagen Länderbauart G02 - Neuheit Nov. 2011 - die meisten im Handel derzeit verfügbaren Modelle sind krumm wie eine Banane, teilweise liegen nicht mal alle Räder auf einer gemeinsamen Ebene und sind deshalb auch technisch unbrauchbar.
  • Roco Art. Nr. 66117 Kühlwagen-Set, bei beiden Kühlwagen wurde jeweils der Aufbau und das Fahrgestell vor der Beschriftung vertauscht - Fehler ist auffällig und nicht behebbar.
  • Roco Art. Nr. 69874 - 144 025-4, nur AC, Ladenpreis ca. 180 EUR. Diese Lok trägt die Kopfanschriften in schwarzer Schrift auf dunkelgrünem Grund. Ein solcher, bisher beispielloser Mangel hätte jedem Mitarbeiter auffallen müssen.
  • Roco Art. Nr. 62548 # 112 491-6, Hersteller-Anschrift "Kraus Maffei" statt "Krauss Maffei". Das korrekte Klischée finden bei anderern 110.3/112 im Hause Roco Anwendung.
  • Fleischmann BC3i pr05 (Ep. II) Kat.-Nr. 506111, Ladenpreis ca 45 EUR. Dieser Wagen wurde als Ep. III-Modell und in der Ankündigung korrekt beschriftet, das ausgelieferte Modell trägt aber die Klassenzeichen am jeweils falschen Wagenende - bei einem derart auffällig asymmetrischen Aufbau und erkennbaren, korrekt unterschiedlichen Inneneinrichtungen sowie bester Dokumentation des Vorbildes ärgerlich. Es lässt sich aber leicht beheben durch Aufbringen der jeweils korrekten Klassenschilder, z. B. von Gassner.
  • Roco H0 VT 12.5 DB (März/April 2011) - hier hat man den größten Teil der fahrzeugtypischen "Schürzen" abnehmbar montiert. Auf handelsüblichen Gleiskomponenten des Herstellers ist der Triebzug nicht mit angebauten "Schürzen" einsetzbar, ohne "Schürzen" ist er nur ein Kinderspielzeug. Wie es anders geht, zeigte Rivarossi beim Henschel-Wegmann-Zug/"Blauer Enzian" schon vor 20 Jahren. Die Variante DB Ep. IIIa (Nov. 2011) ist als Zug mit 1., 2. und 3. Klasse angekündigt. Tatsächlich war der Triebzug für den inländischen Städteschnellverkehr vorgesehen und bot keine (alte) 1. Klasse, da die DB auch dafür keine Fahrkarten anbot.
  • Touropa-Wagen-Set Roco 64053 (Wiederauflage 2011) - hier hat man zu lang kuppelnde Kupplungsführungen angebaut, obwohl passende in der Produktion vorhanden sind. Lt. Auskunft der Modelleisenbahn GmbH/ "Roco Team" werden die Wagen im Mai/Juni 2011 im Fachhandel gegen Wagen mit kürzerer Kupplungsführung umgetauscht werden können.

Modelle werden anders geliefert als angekündigt

  • GFN Preussen-Kohlen-Wagen ohne Preussen,
  • Roco Schlafwagen-Set mit abweichendem, falsch gefärbtem Dach,
  • Ergänzungswagen zu gelieferten Wagensets in nicht zeit-kompatibler Lackierung und/oder Beschriftung,
  • Zugsets werden mit GFN-Wagen, z.B. Umbau-4achser, abgebildet, aber mit einfacheren Roco-Wagen ausgeliefert etc.).
  • Angekündigte Zugsets werden mit völlig abweichender Zuglok geliefert (GFN: 78 statt 38.10)

Die neuen Webpräsenzen der Gruppe unterscheidet bei den Ankündigungen nicht mehr zwischen N und H0 und auch nicht zwischen AC und DC - der Kunde wird schlicht nicht mehr genügend informiert und zudem verwirrt. Er soll wohl nur kaufen, egal, was?

Dieser Tend ist fatal. Vorbestellungen werden zum Risiko des Käufers oder des Händlers. Bei den heute üblichen niedrigen Auflagenhöhen sind Blindorderungen des Handels eigentlich nicht mehr erwartet - Vorbestellung auf Basis der Herstellerankündigung ist für die Käufer nahezu zwingend. Angesichts des Verschwindens des Präsenzhandels wird der Versandhandel immer größere Bedeutung erlangen - und mit ihm die erweiterten Rückgaberechte der Kunden. Wie lange also werden Versandunternehmen hohe Rückgabequoten wegen optischer Mängel hinnehmen, bevor sie das Produkt auslisten? Konsequent hat die Modellbahn GmbH die Kommunikation mit dem Endverbraucher abgebrochen - es geht alles nur noch über den geplagten Händler.

Früher war alles besser? Ja, diesen oft gescholtenen Satz muss man hier wohl so stehen lassen, wenn sich das Unternehmen nicht auf die alten Werte seiner Herkunftsfirmen besinnt.

Es sind aber keine Einzelfälle, bei vielen Modellherstellern hat eine Phase des Desinteresses am Endverbraucher und eine Ignoranz der Marktgrundlagen Einzug gehalten. Versuchen sie doch einmal, auf den Webseiten von SIKU die 1:87-Modelle zu finden.

Auch die Modell-PKW-Hersteller scheinen nicht gefeit:

Vor einigen Wochen kamen etliche, auch als Deko für Ep. III/IV lang erwartete PKW-Modelle aus Dietenhofen.

  • NSU Sport Prinz - der Sportwagen des kleinen Mannes mit Hütchen. Leider hat Herpa das schöne Modell mit den riesigen Frontscheinwerfer völlig verdorben - daher in Fachkreisen bereits "das Maki" genannt.
  • Opel Manta B - Kult für die 70er und 80er, ein Muss für jeden Friseusenliebhaber. Aber, oh Graus, wer hat denn die leider nicht bis zur Stoßstange reichenden Mini-Frontscheinwerfer konstruiert und die zwei Größen zu mächtig geratenen Räder hinzugefügt? Das ist ja ein Manta "Paris-Dakar".

Beide Fahrzeuge sind bestens dokumentiert und im Original leicht zu betrachten, z.B. im Technikmuseum Sinsheim. Dennoch schafft es Herpa nicht, diese Modelle angemessen nachzubilden. Auch die Karrosserie-Form hat leichte Mängel.

Jämmerlich ist das, einfach jämmerlich bei den geforderten Preisen...

Und eine öffentliche Stellungnahme der Industrie zu öffentlichen Diskussionen über dieses Thema bleibt einfach aus.